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FS-Blog

Das freisinnige Blog von Fritz Schmude.

Historische Arbeit und Populismus

2015-05-01 22:26
Der erste antisemitische Angriff, an den sich der Holocaust-Überlebende Ralph Giordano erinnert, war, als seine Familie 1935 an der Binnenalster mitten in Hamburg von einem fremden Mann angeherrscht wurde mit den Worten:
"Dass ihr Juden euch immer noch hierher wagt."

Nachzulesen sind diese und die folgenden, immer schrecklicher werdenden Begebenheiten in Giordanos Autobiografie:
Erinnerungen eines Davongekommenen, Ralph Giordano, ISBN 978-3-462-04003-6, Seite 112.

Wie wir heute wissen, war 1935 der Höhepunkt der Raserei von Pöbel und Polit-Wahnsinnigen noch lange nicht erreicht.
Heute ist unser Glück, in weniger "interessanten Zeiten" leben zu dürfen, kaum in Worte zu fassen.
Um so wichtiger ist es, die jetzige Ruhe nicht für Wohlfühlphrasen und parteitaktische Schönheitsoperationen, sondern für möglichst freien Informationsfluss und offene Diskussionen zu nutzen.

Einen Beitrag hierzu könnte das Münchner "NS-Dokumentationszentrum" leisten, das gestern mit einem Festakt an der Brienner Straße eröffnet wurde.
Als Stadtrat war ich im Besitz einer Einladung dazu, und folgte ihr gerne.
Schließlich war dieses Bildungsprojekt auch mit meiner bescheidenen Stimme zustande gekommen.
Beide AfD-Stadträte, also Andre Wächter und ich hatten selbstverständlich für das Dokumentationszentrum gestimmt.

NS-Dokumentationszentrum München


Direktor mit Durchblick


Der Leiter des NS-Dokumentationszentrums ist Prof. Winfried Nerdinger, Architekturprofessor und Sohn eines Widerständlers.
Folgende Ausschnitte mögen seine Sichtweisen auf sein Kurat verdeutlichen.

In einem Interview im Deutschlandfunk sagte er auf die Frage:
"Es gibt die KZ-Gedenkstätte Dachau oder es gibt Stellen der Erinnerung auch an die Geschwister Scholl und die Weiße Rose in München. Warum hat Ihnen das nicht gereicht?"
folgendes:
"Das sind zwei unterschiedliche Dinge.
Das eine ist das Gedenken an die Opfer, natürlich, dafür gibt es Dachau, dafür gibt es auch Orte, an denen die Widerstandskämpfer geehrt werden.
Hier geht es um die Auseinandersetzung mit den Tätern.
Warum ist das alles hier entstanden, wer steht dahinter, welche gesellschaftlichen Konditionen haben dazu geführt, dass Menschen zu solchen Verbrechern wurden?
Und das wollen wir hier aufklären, das ist etwas ganz anderes als gedenken."

Und ebenda:
"Es ist ein zentraler Ort, in dem die Bürger, die Gäste, aber auch zukünftige Generationen nun über diese schlimmste Zeit aufgeklärt werden. Das ist eigentlich das oberste Ziel."

Und in einem Bericht des bayerischen Rundfunks:
"Wir sind keine Gedenkstätte. Hier setzen wir uns an diesem Täterort mit den Tätern auseinander."

So geht das!
Keinerlei Vereinnahmung durch tagespolitische Präferenz, kein manipulatives Betroffenheitsgeschmarre, stattdessen wissenschaftliche Neutralität bei dem frischgebackenen Direktor des Doku-Zentrums.

Sehr gut war auch die Rede der Vertreterin der Bundesregierung Prof. Monika Grütters, die ebenfalls unaufdringlich und kompetent den Bildungsaspekt in den Vordergrund stellte.



SPD & CSU: Plump & unverschämt


Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Mainstream-Politiker sich für Bildungsinhalte wie die von Prof. Nerdinger skizzierten ernsthaft interessiert oder gar darauf verzichtet, aus noch so ernsten Themen populistischen Honig zu saugen.

Dieter Reiter, OB von München, eröffnete diesen Reigen der Mittelmäßigkeit, indem er wenig überraschend ohne weitere Umschweife von den Nazis direkt auf Pegida zu sprechen kam und den Münchner Anti-Pegida-Demonstranten ausdrücklich dankte.
Von dieser Danksagung an die "Zivilgesellschaft" wurden Gröler von Beleidigungs-Sprechchören, Böller-/Schneeball-/Steinewerfer und Polizisten-Angreifer nicht ausgenommen.
Auch diese Leute können sich nun ein weiteres Mal offiziell geehrt fühlen.
Ach ja, natürlich konnte es auch nicht ohne die in München bei schwarzrot übliche Kampfansage an "Rechtspopulismus" abgehen.

Diese Offensichtlichkeiten konnte der anschließend sprechende Horst Seehofer, bayerischer Ministerpräsident, nicht mehr toppen.
Dafür hatten er oder sein Redenschreiber etwas anderes vorbereitet, was mich nun wirklich unerwartet traf.
Nachdem Seehofer die abgelutschte Phrase "Ort der Erinnerung" (von der wir oben gesehen haben, dass sie hier unpassend ist) und ähnliches abgelesen hatte, verstieg er und/oder sein Redenschreiber sich zu einer längeren Suada darüber, wie einzigartig doch das "Friedensprojekt" EU sei und dass jeder Demokrat verpflichtet sei, dieses grandiose Projekt nur ja nicht zu "gefährden".
Die EU sei der wichtigste Garant gegen eine Exhumierung und Reaktivierung von Adolf oder von noch Schlimmerem (die Formulierung war anders, aber der Sinn ebendieser).

Ich bin ja an einige Unverschämtheiten von schwarzroten Instrumentalisierern gewöhnt, aber dass jetzt schon EU-Kritiker glatt mit Nazis gleichgesetzt werden, und das nicht in versifften Kneipenhinterzimmern, sondern bei der Eröffnung eines historischen Instituts, hat mich dann doch überrascht.

Diese unverhohlenen Aufrufe zur Hatz auf EU- und Islamkritiker brachten dann auch einen ersten tollen Erfolg:
Als zum Ende des offiziellen Festaktes die Gäste den Saal verließen, rief mir ein besonders mutiger Grüner, genauer das Fraktionsküken der Grünen im Rathaus, aus dem Trupp seiner Kollegen heraus zu:
"Herr Schmude, dass Sie sich überhaupt hierher trauen!"

Auf welchen Pfaden es damit einhertrippelt, übersteigt mit Sicherheit sein Fassungsvermögen.

* * *
Kommentare
#1 von "Teska": 2015-05-01 23:18
Ja, und deshalb habe ich auch meine Bedenken gegen immer mehr Gedenkstätten etc. Sie werden vom linken Mainstream missbraucht zur Diffamierung des politischen Gegners und zur Durchsetzung eigener Ziele.
Dass die Opfer damit verhöhnt und instrumentalisiert werden ist ein weiterer Tiefpunkt bundesrepublikanischer politischer Kultur.
1 Kommentar.

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